Von Marko Hanecke
Gedruckte Werbung muss für Rezipienten relevant sein. Schließlich will sie informieren, überzeugen und zu einer Reaktion verführen. Dabei sind Werbe- und Akzidenzdrucksachen selten auf die individuellen Empfängerpräferenzen abgestimmt, der inhaltliche Streuverlust ist oft groß. Verkaufskataloge beispielsweise setzen sich aus unterschiedlichen, voneinander mehr oder weniger unabhängigen Inhalten zusammen. Und nicht alles davon ist für die Adressaten von Belang: Die Veganerin lässt die in einem Modekatalog feilgebotenen Lederschuhe mit Kaninchenfellfütterung links liegen, ein kinderloser Single interessiert sich nicht für Frauen- und Babykleidung und ein Diabetiker fühlt sich durch dargestellte Süßwaren verhöhnt.
Betrachten wir Druckprodukte aus diesem Blickwinkel, wird die praktizierte Verschwendung sichtbar und offenbart die Schwächen gedruckter Werbung: den inhaltlichen Streuverlust, gepaart mit einer buchstäblich begreifbaren Vergeudung wertvoller Ressourcen. Soll Print auch in Zukunft für Verkaufsförderung sorgen, dann müssen wir Inhalte optimieren und aufhören, mit der Schrotflinte in den Nebel zu schießen, in der Hoffnung, etwas zu treffen. Denn gedruckt wird nur, solange das Kosten-Nutzen-Verhältnis überzeugt. Das zu erreichen, wird in Zeiten steigender Preise und durch die digitale Konkurrenz zunehmend anspruchsvoller. Auch die Akzeptanz wird nachlassen, wenn große Teile der abgebildeten Informationen, Produkte und Dienstleistungen für die Betrachtenden irrelevant bleiben.
Nicht nur die jungen Menschen, die heute für mehr Klimagerechtigkeit demonstrieren, erwarten einen nachhaltigen, zukunftsgerechten Umgang mit unseren Ressourcen. Verschwendung wird abgestraft, aber genau die wird direkt erfahrbar, wenn der Inhalt nicht zu den persönlichen Präferenzen passt.
Eine Drucksache, die nach kurzer Nutzungszeit und ohne einen Kauf oder Konsumwunsch auszulösen, in der Tonne landet, wird niemals als nachhaltig empfunden. Dieses offensichtliche Verjubeln kostbarer Ressourcen endet zunehmend in einer ungewollten Öffentlichkeit, die dieses Vorgehen an den digitalen Öko-Pranger stellt. Das Image und die Akzeptanz von Print werden unter Adressaten und Werbern durch diese negative Publicity weiter leiden. Unternehmen wenden sich mehr und mehr den digitalen Werbeformen zu, die aufgrund ihrer fehlenden Stofflichkeit leider als ökologisch vorteilhafter empfunden werden. Unserer Branche bleibt zu hoffen, dass sich zur Flug- und Klickscham nicht auch noch die Printscham hinzugesellt.
Gehen wir zielgerichteter vor und stimmen Inhalte auf die Empfängerpräferenzen ab, dann können sich daraus schwergewichtige Vorteile ergeben: die Reduzierung von Seitenumfängen, Senkung von Papier-, Druck- und Transportkosten, Minimierung von C02-Emissionen, Steigerung der Akzeptanz beim Rezipienten, Erhöhung von Responsequoten und des ROI, verringertes Reputationsrisiko durch verschwenderische Druckprodukte und eine Zeitersparnis beim Empfänger. Das ökologische und ökonomische Potenzial ist riesig.
Hier ein Beispiel, das die Chancen einer optimierten inhaltlichen Relevanz aufzeigt: Ein Schallplattensammler, nennen wir ihn Marko H., bestellt sein schwarzes Gold bei einem Online-Plattenhändler. Dieser schickt ihm wöchentlich einen Newsletter per E-Mail, der ausschließlich Schallplatten-Neuheiten aus den Musikgenres Jazz und Exotica präsentiert. Das ist möglich, da der Händler bei der Newsletteranmeldung abfragte, welche Medien und Genres ihn ansprechen. Der Händler versorgt Marko H. jedoch nicht nur mit analogen Tonträgern, sondern auch mit gedruckten Katalogen, die auf 100 Seiten Neuerscheinungen aus zehn Musikstilen darstellen, die überwiegend auf CDs erscheinen. Sein Blick fällt auf Anzeigen zu Konzerten, die weit außerhalb seiner geschmacklichen und räumlichen Komfortzone liegen. Eine Analyse zeigt: Rund 90 Prozent der dargestellten Produkte sind für den Empfänger völlig irrelevant.
Dieses Beispiel illustriert zwei Aspekte ansehnlich: Zum einen, wie sehr sich die digitale von der analogen Kommunikation im Individualisierungsgrad unterscheidet, obwohl es dafür nur noch wenig gute Gründe gibt. Und zweitens, wie stark ökologische und ökonomische Faktoren von der inhaltlichen Relevanz abhängig sind. In diesem Fall hat der Händler die Möglichkeit, die bedruckte Papiermenge drastisch zu reduzieren, Druck- und Transportkosten einzusparen, gleichzeitig die Umweltauswirkungen zu minimieren und die Akzeptanz beim Empfänger zu steigern. Wohlgemerkt, ohne die Ziele zu gefährden, die er mit diesem Druckprodukt verfolgt. Anstatt alle Kunden mit einem inhaltlich identischen Katalog zu versorgen, sind verschiedene, auf die jeweiligen Interessen der Empfänger abgestimmte Varianten deutlich attraktiver. Dabei können die Inhalte, Seitenumfänge und Werbeanzeigen pro Version ebenso variieren wie das Format oder die Bindung. Ist das Interessenfeld eng, produziert der Händler anstatt eines Kataloges ein Mailing und spart so weitere Ressourcen und Versandkosten. Bei der Ausgestaltung von Druckprojekten mit optimierter inhaltlicher Relevanz kann das Wissen über diese drei Individualisierungsstufen hilfreich sein:
One-to-many:
Druckobjekte sind inhaltlich weitestgehend oder komplett identisch. Beispiel: Der inhaltsgleiche Schallplatten-Katalog wird an alle Kunden verschickt.
One-to-few:
Empfänger werden in Gruppen segmentiert und entsprechend inhaltlich adressiert. Beispiel: Die Adressaten des Katalogs werden in drei Kategorien eingeteilt: CD-Sammler, Schallplattensammler, CD- und Schallplattensammler. Die Kataloge werden entsprechend versioniert, die Seitenumfänge schrumpfen bei zwei Katalogen.
One-to-one:
Höchste Individualisierungsstufe. Inhalte werden auf jeden einzelnen Empfänger zugeschnitten. Beispiel: Im Katalog sind überwiegend bis ausschließlich Vinyl-Neuerscheinungen abgebildet, die dem Musikgeschmack des Adressaten entsprechen. Zusätzlich werden Schallplatten vorgestellt, die im Online-Wunschzettel des Kunden vermerkt sind. Der Empfänger wird auf dem Umschlag namentlich angesprochen. Konzertanzeigen sind auf die individuellen Musikpräferenzen abgestimmt und Anfahrtskarten stellen den Fahrtweg und die Fahrtzeit vom Wohnort zu den einzelnen Veranstaltungsorten dar.
Während Druckobjekte mit der höchsten Individualisierungsstufe im Digitaldruck produziert werden, sind in den anderen Stufen der klassische Offset und ein hybrider Druck geeignet. Letztlich entscheiden der Individualisierungsgrad und die Auflage über das Druckverfahren.
Das Potenzial für eine sinnvolle Reduktion von Seitenumfängen ist auf allen drei Stufen gleich groß und von den jeweiligen Projektanforderungen abhängig. Die Möglichkeiten sind vielfältig, grundsätzlich gilt: Je exakter die Ansprache, desto mehr Empfängerinformationen werden benötigt. Quellen hierfür können sein:
Die One-to-one-Ansprache ist unbestreitbar der Königsweg. In der Praxis ist der notwendige Datenschatz noch selten vorhanden und nicht jedes Projekt eignet sich für ein hochindividuelles vorgehen. Simple Segmentoren und Produktvarianten können eine sinnvolle Alternative sein. Auch abseits von rein werblichen Druckprodukten.
Das in unserer beruflichen Praxis brachliegende Nachhaltigkeitspotenzial ist riesig, die Gefahren dieser nicht mehr zeitgemäßen Vorgehensweise sind groß. Bei der Konzeption von Druckvorhaben muss es folglich ein Ziel sein, die inhaltliche Relevanz für die Adressaten zu optimieren und gleichzeitig die Menge an bedrucktem Papier zu reduzieren.
Das ist nicht immer einfach, aber oft möglich. An dieser Stelle wird es für diejenigen Druckbetriebe interessant, die ihre Kunden dazu bewegen, die freigewordenen finanziellen Mittel in eine höherwertige Ausstattung und/oder in weitere Druckprojekte zu investieren.
Umsätze können aus einer Beratungsleistung, einer größeren Fertigungstiefe oder mehreren kleineren Aufträgen anstatt über ein einfaches Produkt in einer hohen Auflage geschöpft werden. Sensorisch und inhaltlich ansprechende Druckprodukte wiederum können zu höheren Verkaufszahlen, einer gesteigerten Wertschätzung und zu einem besseren Image unseres geliebten Mediums führen.
Wie sehen Sie das als Akteur der Druckbranche? Kann es ein Weg für Sie sein, früher mit am Kundentisch zu sitzen, um Druckprojekte ökologisch, ökonomisch, sensorisch und inhaltlich relevanter zu gestalten?
Filterblase: Sperren Sie Empfänger nicht in einen zu engen Informationskäfig. Nehmen Sie einige nicht den Präferenzen entsprechende Highlights mit auf.
Datenqualität: Möchten Sie hochindividuell drucken, dann muss der Datenbestand das qualitativ hergeben.
Segmentierung: Da bei einer Kundensegmentierung deutlich weniger persönliche Daten benötigt werden, kann sie eine gute One-to-one-Alternative sein.
Hybride Produktion: Durch eine geschickte Seitenaufteilung lassen sich individualisierte Druckbogen in ein konventionell produziertes Druckprodukt einfügen. Es ist möglich, beispielsweise nur den Umschlag oder einige Inhaltsseiten im Digitaldruck anzufertigen.
Datenschutz: Es ist selbstverständlich, dass Sie bei der Verarbeitung personenbezogener Daten die geltenden Datenschutzgesetze einhalten.
Schnittstellen: Geben Sie Kunden die Möglichkeit, ihre Präferenzen zu aktualisieren.
Irrelevantes ins Web: Stellen Sie weniger relevante Inhalte online zur Verfügung und verlinken Sie über z. B. einen eingedruckten QR-Code darauf.
Quelle: Druck&Medien 03/2022